Banchieri, Adriano (1568-1634)
Werke für ein Tasteninstrument Band 1
Canzoni alla francese a quattro voci per sonar, Venetia 1596
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Adriano Banchieri wurde 1567 in Bologna geboren, trat mit 21 Jahren in den Benediktinerorden ein und legte drei Jahre später das Gelübde ab. In den ersten Jahren nahm er Kompositionsunterricht bei Gioseffo Guami (1542 – 1611) und war in verschiedenen Klöstern des Ordens als Organist tätig. Nach Aufenthalten in Venedig und Verona kehrte er nach S. Michele in Boso (bei Bologna) zurück, wo er schon zuvor als Organist tätig gewesen war. Um 1615 gründete er die Accademia dei Floridi, die eine Vorläuferin der Accademia Filarmonica in Bolagna war. 1613 wurde er zum Professor und 1620 zum Abt ernannt, im gleichen Jahr besuchte ihn Claudio Monteverdi. Er zog sich später auf das Kloster San Bernardo zurück und verstarb dort im Jahre 1634 an einem Schlaganfall.
Er nannte sich selbst Adriano di Bologna, war allerdings eher unter dem Beinamen Il Dissonante bekannt. Sein Schaffen war sehr reichhaltig, so verfasste er allein 50 musiktheoretische Publikationen. Als Erster druckte er eine sogenannte Spartitura (eine mit Taktstrichen versehene Partitur) und führte den Begriff Basso-seguente ein, benutzte sehr früh Ziffern und war auch einer der Allerersten, die dynamische Zeichen in die Stücke eintrugen (siehe Canzon Undecima). Er schrieb frühe Sonaten, also freie Instrumental-Kompositionen, die nicht auf vokalen Modellen basierten, wie die Canzoni alla francese a4 1596 und die Fantasie overo Canzoni alla Francese 1603. In den Eclesiatiche Sinfonie 1607 gibt es die Anweisung per sonarte & cantar mit klaren Transpositionsanweisungen im Basso seguente für Singstimmen und Instrumente, die Ausgabe ist durchgehend textiert. Er betätigte sich aber hauptsächlich mit seinen Kompositionen im musikdramatischen Bereich. Er schrieb Madrigalkomödien, deren Texte er selbst verfasste.
Die Canzoni von 1596 liegen in vier Stimmbüchern vor (CANTO, ALTO, TENORE und BASSO). Die Titel geben (wie so häufig) Rätsel auf. Einer ist allerdings verständlich, denn eine Canzone ist von seinem Lehrer Giuseffo Guami und heißt „La Guamina.“, La Banchierina ist dann leicht ableitbar. Die Zuordnungen Sopra Vitam eternum und Sopra Veni dilecte mi sind nicht eindeutig. Bei Sopra Vestiva i Colli hingegen geht es eindeutig um das berühmte Palestrina-Madrigal, dessen erste acht Takte identisch zitiert werden. Ab dem Basseinsatz geht es dann anders weiter, denn das Palestrina-Madrigal ist fünfstimmig. Im Verlauf ist der Themenkopf allerdings noch häufig zu vernehmen.
Nach den Canzoni a quattro voci folgen zum Schluss noch drei 8-stimmige Kompositionen, die ich in diese Ausgabe aber nicht mit aufgenommen habe. Auf dem Titelblatt heißt es: …. per sonare Dentrovi, un Echo, & in fine una Battaglia a Otto, & dui Concerti fatti sopra Lieto godea. In der Tavola steht vor den letzten Stücken: Concerti a Otto voci per sonare & cantare. Obwohl die Stücke vollständig durchtextiert sind, ist somit die Verwendung von Instrumenten vorgesehen. Entweder sind die Instrumente zur Verstärkung oder als Ersatz von Sängern, aber auch eine rein instrumentale Aufführung ist denkbar. Die Battaglia erinnert an vielen Stellen der berühmten Bataglia von Clement Janequin. Den Schluss bilden ein Magnificat und ein Suscepit Israel: Sopra lieto Godea, zitiert wird hier das 8-stimmige Madrigal Lieto godea von Giovanni Gabrieli (1590).
Die Canzonen folgen fast immer dem gängigen Schema, in dem das Thema in einer Stimme vorgestellt und durch alle Stimmen geführt wird. Auffällig sind aber viele homophone Bereiche, die sehr madrigalesk wirken. Kontrapunktische Musik wie Ricercare, Canzone und Fuge wurden von Anfang an in Stimmen gedruckt, ohne dass damit gleichzeitig impliziert wurde, es handle sich um Ensemblemusik. Den Spielern, bzw. dem Spieler blieb es überlassen, sich die Werke aus den Stimmen zu intavolieren, das heißt für sein Instrument einzurichten. Nicht wenige Aufnahmeprüfungen für Organisten sahen sogar vor, dass dieser aus einem Chorbuch – in dem die Stimmen nebeneinander geschrieben waren – spielen können musste! Selbst von Johann Sebastian Bach wird diese Fähigkeit noch berichtet.
Interessant in der Besetzungsfrage ist in diesem Zusammenhang ein Stück von Giovanni Maria Trabaci in seinem zweiten Buch (Il secondo Libre de Ricercate etc. 1615), eine Canzona Francesa à 4. Der Autor selbst schreibt, dass dieses Stück bereits in seinem ersten Buch (Ricercate, Canzone etc. 1603) gedruckt wurde, hier aber gut geeignet für ein Concert von Gamben oder Violinen sei. Ähnlich wie die eventuell nachträgliche Notwendigkeit der Intavolierung für ein Tasteninstrument bei Publikationen in Partitur, schien man solche Stücke auch in Stimmen gebracht zu haben, um sie einem Consort von mehreren Instrumenten zugänglich zu machen.
Einen identischen Fall finden wir in den RICERCARI | A Quattro Voci | Canzoni, Toccate, | et Versi […] von Giovanni Salvatore, die 1641 in Neapel erschienen sind (dort befinden sich im Canzonenteil gleich mehrere Stücke può sonarsi con il Concerto di Viole) und 1687 in den Capricci | da Sonare | Cembali, et Organi von Gregorio Strozzi die Gagliarda terza, e per concerto de viole. Die Publikation insbesondere von Ricercaren als solche war vorrangig also erst einmal Studienmaterial. Wir wissen sogar, dass derlei Stücke auch auf Solmisationssilben gesungen wurden! Etliche Organisten des 17. Jahrhunderts, darunter Asciano Mayone und Giovanni Maria Trabaci waren auch fähige Harfenisten, was wahrscheinlich macht, dass viele dieser Werke auf der Harfe gespieltwurden. Trabaci nennt in seinem zweiten Buch die Harfe ausdrücklich bei einigen Stücken, obgleich er in der Überschrift zu seinen Partite artificiose sopra il Tenor de Zefiro schreibt, dass sie auch auf dem Cembalo gespielt werden können, da il Cimbalo è Signor di tutti l’istromenti del mondo, & in lei si possono sonare ogni cosa con faciltà, das Cembalo also der Herr aller Instrumente (dieser) Welt sei und auf ihm alles mit Leichtigkeit gespielt werden kann.
In dieser Ausgabe für Tasteninstrumente (eine Ausgabe für vier Streichinstrumente ist bei der editionbaroque unter eba5085 zu erhalten) habe ich den Übergang der jeweiligen Stimmen in ein anderes System durch Strichung kenntlich gemacht.
Olaf Tetampel, Bremen im Februar 2022
Inhalt
Canzon Prima "La Rovattina."
Canzon Seconda. "L'Ardina."
Canzon Terza. "La Galuppa."
Canzon Quarta. "La Rustica." Sopra "Vitam eternam."
Canzon Quinta. "La Pomponazza."
Canzon Sesta. "L'Alcenagina." Sopra "Vestiva i Colli"
Canzon Settima. "La Guamina." Di Gioseffo Guami.
Canzon Ottava. "La Banchierina."
Canzon Nona. "La Camerina." Sopra "Veni dilecte mi."
Canzon Decima. "La Feliciana."
Canzon Undecima. "La Organistina Bella." In Echo.